Para-Fahrsport: WM-Medaillen und gelebte Inklusion

Mit ihrem Pony Gentle-Man fährt Patricia Großerichter vom ostwestfälischen Fahrclub "Zwölf Eichen" zu Team-Gold und Einzel-Silber. Über den Fahrsport sagt die Vize-Weltmeisterin, er sei „gelebte Inklusion“.

Exloo/NLD (PV). Mit einem Start-Ziel-Sieg hat das deutsche Team bei der Weltmeisterschaft im Para-Fahrsport die Goldmedaille gewonnen. Eine Besonderheit dieser Para-WM: Das deutsche Team um Bundestrainer Ludger Schmeing (Rheine) bestand vollständig aus Gespannen, die national für Pferdesportvereine aus Nordrhein-Westfalen unterwegs sind.

Allen voran steuerte die neue Doppel-Weltmeisterin Alexandra Röder vom RV Rheinische Höhen in Grade II mit 132,91 Punkten das beste Einzelergebnis bei. Zweitbeste im Team war Patricia Großerichter (Grade I) vom westfälischen Fahrclub Zwölf Eichen in Stemwede. Mit ihrem Pony Gentle-Man und Beifahrerin Louisa Beckmann zeigte sich die amtierende deutsche Vizemeisterin in Topform, stieg mit dem zweitbesten Dressurergebnis in das Turnier ein und verteidigte diese Position bis zum Schluss. Ebenfalls zum deutschen Gold-Team gehörte Heiner Lehrter aus Mettingen. Der Altmeister im Para-Fahrsport nimmt eine absolute Ausnahmestellung ein. Als einziger Athlet nahm er an jeder der bisherigen Weltmeisterschaften teil und brachte dabei stets eine oder mehrere Medaillen in seine münsterländische Heimat. In diesem Jahr erlebte er mit seinem bewährten Pony Dashwood und Beifahrerin Lena Kohmäscher allerdings eine Schrecksekunde, als es bei der Ausfahrt vom letzten Geländehindernis zu einem Sturz kam. Glücklicherweise haben sich weder Mensch noch Pony verletzt und so konnte das Paar vom RV Ibbenbüren im Hindernisfahren noch einmal zeigen, was in ihm steckt. Als Einzelfahrer nahm mit Stefan Wortmann vom RFV „St. Martin“ Greven-Bockholt ein weiteres Gespann aus dem Münsterland an der Weltmeisterschaft teil. Ihm gelang in Exloo „der beste Marathon seines Lebens“, wie der Para-Athlet zitiert wird. Die Meisterschaft beendete er mit seinem Vamos und Beifahrerin Judith Wallmeier auf Platz sechs der Einzelwertung.

„Fahrsport ist gelebte Inklusion“

„Gentle wird locker geritten und genießt mit seinem Pony-Kumpel die Weide“, macht Patricia Großerichter einige Tage nach der Weltmeisterschaft klar, dass für ihr Gold- und Silberpony nun pure Wellness auf dem Programm steht. Dabei schwingt in jedem Wort spürbar große Dankbarkeit für ihren vierbeinigen Sportpartner mit, der schon als Dreijähriger in ihre Obhut kam. „Die Ponys sind tatsächlich echte Familienmitglieder“, lacht die sportliche Wahl-Westfälin und das glaubt man ihr sofort.

Zum Fahrsport ist Patricia Großerichter eher durch Zufall gekommen, wie sie sagt. „Das war etwa während der Abitur-Phase. Für die erste Begegnung hatte ein Schulkollege gesorgt, der die Pferde eines Gespannfahrers ritt.“ Als der Schritt in die Welt des Fahrens einmal getan war, öffnete sich dann Tür um Tür. 2009 hat die begeisterte Athletin ihre Fahrabzeichen-Premiere absolviert. Das erste Pony, Dornik Star, übernahm sie von Heiner Lehrter. „Mit Dornik habe von der Klasse E bis zur Klasse S alles lernen dürfen“, zollt sie ihrem vierbeinigen Lehrmeister Respekt, der leider im Moment eine Verletzung auskurieren muss. Doch sofort stellt sie klar: „Sollte Dornik nicht zurück in Sport können, ändert das nichts daran, dass er zur Familie gehört und auf jeden Fall bei uns bleiben wird.“

In diesem Jahr spielt das allerdings keine Rolle mehr, denn die aktuelle Saison hat Patricia Großerichter für beendet erklärt. „Exloo war einfach großartig und ein wunderbarer Schlusspunkt. Der Veranstalter hat sich unfassbar viel Mühe gegeben und alles darangesetzt, optimale Bedingungen zu bereiten. Das war an so vielen liebevollen, kleinen Details spürbar, von der Dekoration der Hindernisse bis zu den Ventilatoren, die im Stall für Kühlung sorgen sollten. Es hat wahnsinnig viel Freunde gemacht, dort mit dem deutschen Team starten zu dürfen und den großen Zusammenhalt erleben zu dürfen.“

Für das nächste Jahr wünscht sich die Weltmeisterin, an die Leistungen anknüpfen zu können. „Wir schauen einfach, was wir verbessern können. Mir ist es sehr wichtig, über den Tellerrand zu sehen und das eigene Handeln immer wieder zu hinterfragen. Das Wichtigste ist, die Pferde fit und gesund zu halten.“

Das wünscht man der leidenschaftlichen Gespannfahrerin von Herzen, die in den Para-Sportprüfungen ebenso unterwegs ist, wie im Regelsport und dazu sagt: „Das ist das Schöne. Ich kann mich im Regelsport eben auch auf Augenhöhe mit allen anderen messen. Ich finde, das ist gelebte Inklusion.“

Informationen zum Para-Fahrsport finden sich etwa auf der Internetseite der "Interessengemeinschaft Fahren für Menschen mit Behinderung" oder beim Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten (DKthR).

zur IG Fahren für Menschen mit Behinderung                zum DKthR

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