Zum Hauptinhalt springen

Wölfe und Pferde in Nordrhein-Westfalen

Position und Gedanken der Verbände und Vereinigungen des Pferdesports und der Pferdezucht in NRW

Verbände und Vereinigungen des Pferdesports und der Pferdezucht in Nordrhein-Westfalen haben ausführlich über die Rückkehr des Wolfes und die einhergehenden Herausforderungen für die Pferdehaltung gesprochen.

Mit den nachfolgenden Gedanken richten sich die unterzeichnenden Verbände und Vereinigungen an politische Entscheidungsträger. Damit verbunden ist die Aufforderung zum Dialog, für den wir gern zur Verfügung stehen.

Unsere Grundhaltung zur Wiederansiedelung von Wölfen in NRW

Pferdehalter erleben die Rückkehr des Wolfes mit gemischten Gefühlen. Die Faszination, die viele Menschen  mit dem Wolf verbinden, können wir nachempfinden – gleichzeitig sind wir in Sorge um die uns anvertrauten Pferde und Ponys, deren Wohl und Schutz unsere ausdrückliche Aufgabe ist.

Den derzeitigen öffentlichen Diskurs erfahren wir als emotional stark aufgeladen und zuspitzend. An vielen Stellen vermissen wir die sachliche Betrachtung und die angemessene Abwägung von Interessen. Uns besorgt besonders die Einseitigkeit, mit der dem Thema vielerorts begegnet wird. Wir fordern die gewählten Interessenvertreter dazu auf, den polarisierenden und oftmals zynisch anmutenden Diskussionen energisch entgegen zu treten, sie zu versachlichen und sich kraftvoll für die berechtigten Interessen der Pferde und Pferdehalter einzusetzen. Diese dürfen mit den kommenden Herausforderungen nicht allein gelassen werden. Ihre Verantwortung für die Unversehrtheit ihrer vierbeinigen Sport- und Freizeitpartner und ihres Zuchtbestandes muss ernst genommen werden.

Unsere nachfolgenden Gedanken verstehen wir als einen sachorientierten Beitrag zum Umgang mit der Rückkehr des Beutegreifers Wolf aus der Perspektive der Pferdehalter, Züchter und Sportler, die in unseren gemeinwohlorientierten Vereinen, in gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieben oder in den privaten Familien ihre Heimat haben.

Wir haben dazu einige bereits identifizierte Probleme und Zielkonflikte aufgelistet und erläutert. Aspekte zur Prävention und Entschädigung haben wir mit einem fundierten Blick auf die tägliche Praxis betrachtet und auf ihre Umsetzungsfähigkeit reflektiert. Auch darüber hinaus gehende Fragestellungen haben wir aufgegriffen und beispielhaft veranschaulicht.

Wir fordern dazu auf, die Fragen und Problemstellungen der Pferdehalter sachlich zu bewerten und fachlich zu beantworten. Lösungsansätze müssen vor allen Dingen tiergerecht sein - ausdrücklich nicht nur mit Blick auf den Wolf, sondern ebenso gegenüber dem Pferd. Sie müssen gleichzeitig realistisch und machbar sein. Dazu gehört die betriebswirtschaftliche Perspektive und ebenso der Blick in angrenzende Bereiche, die von Veränderungen der Pferdehaltungs-Infrastruktur mittelbar betroffen sind, beispielswiese der Bereich Naturschutz/ Biodiversität. In der Zukunft könnte außerdem die Sorge wachsen, dass sich aus der Rückkehr des Wolfes eine Gefährdung für die Menschen entwickelt, die mit den Pferden und Ponys umgehen und sich mit ihnen im Wald und der freien Landschaft bewegen.


Prävention und Unterstützung

Wir begrüßen es, dass in Nordrhein-Westfalen die Förderrichtlinien Wolf überarbeitet und insbesondere die Unterstützungsleistungen für die Prävention verbessert werden sollen.

Aus der Perspektive der Pferdehaltung gibt es im Hinblick auf Schutzmaßnahmen jedoch besondere Problemstellungen, die im Folgenden aufgezeigt und konkretisiert werden. Aus diesen Betrachtungen wird schnell ersichtlich, warum der erhoffte Nutzen der Maßnahmen stets individuell und auf der Grundlage der jeweiligen Pferdehaltung abgewogen und eingeordnet werden muss. Es wird auch deutlich, warum wir uns dafür aussprechen, dass Präventionsmaßnahmen freiwillig bleiben müssen.

Pferdegerechte Zäune sind die Grundlage

Die baulichen Anforderungen an Zäune unterliegen in der Pferdehaltung besonderen Kriterien, die sich mit denen aus anderen Nutztierhaltungen nicht vergleichen lassen. Mindeststandards sind in den „Leitlinien' zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ (BMEL, 2009) beschrieben. Sie sind mit den Kriterien an Wolfsschutzzäune, wie sie in den Richtlinien zur Prävention und Entschädigung beschrieben sind, nicht zu vereinbaren. 

Beispielsweise sind Knotengitter und Elektronetzzäune auf Grund des Verletzungsrisikos in der Pferdehaltung nicht akzeptabel. Auch die definierten Abstandsmaße – etwa ist die unterste stromführende Litze in maximal 20 cm Bodenhöhe anzubringen – sind nicht pferdegerecht. In der Pferdehaltung gilt, dass Abstände kleiner als 5 cm oder größer als 30 cm sein müssen. Pferde dürfen nicht Gefahr laufen, mit Hufen, Gliedmaßen oder dem Kopf hineinzugeraten und festzuhängen. Ernstzunehmende Wolfsschutzzäune werden in der Pferdehaltung häufig nur dann realisiert werden können, wenn außerhalb der pferdegerechten Einzäunung ein zweiter Zaun erbaut wird. Hierzu müssen ggf. rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit solche Zäune genehmigungsfähig sind.

 

Zwingender Blick auf die Wirtschaftlichkeit

Die Diskussion zur Errichtung von Wolfsschutzzäunen darf nicht ohne Blick auf die wirtschaftliche Machbarkeit geführt werden. Es ist richtig und vernünftig, dass Tierhalter die Kosten für das benötigte Material ersetzt bekommen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht müssen jedoch zwingend alle Kosten in den Blick genommen werden, die durch den Bau solcher Zäune verursacht werden. Dazu gehören ausdrücklich die hohen Folgekosten, die sich aus der notwendigen Wartung ergeben. Diese schlägt besonders in der Vegetationsphase durch regelmäßiges und zeitaufwändiges Freischneiden von Bewuchs mit spürbaren Kosten zu Buche. Marktübliche Maschinen, die in größeren Betrieben für das Freischneiden der Zäune verwendet werden, stehen für Arbeiten im Bereich von unter 20 cm Bodenabstand bisher nicht zur Verfügung. Die manuelle Erledigung bedarf deutlich erhöhter personeller Ressourcen und ist kostenintensiv.

Herdenschutzhunde in der Pferdehaltung

Ob der Einsatz von Herdenschutzhunden in der Pferdehaltung einen sinnvollen und wirksamen Schutz bieten kann, wird diskutiert. Positive Erfahrungen aus der Schafshaltung nähren die Hoffnung, dass die Haltungskonzepte sich übertragen lassen. Belastbare Daten dazu liegen bisher nicht vor.

In Nordrhein-Westfalen ist den Unterzeichnenden lediglich ein Betrieb bekannt, der Herdenschutzhunde in seine Alltagsabläufe integrieren konnte. Es zeichnet sich ab, dass solche Hunde eher in Einzelfällen eine Option sein können, in denen die Pferdehaltung unter bestimmten Rahmenbedingungen erfolgt. Dazu gehören wohl ein eher geschlossener Bestand und geringer Publikumsverkehr durch Personen, die dazu bereit und in der Lage sind, ihr Verhalten den Gegebenheiten unterzuordnen,  die der Einsatz von Herdenschutzhunden mit sich bringt.

Hoch frequentierte Pensionspferdehaltungen und die gemeinwohlorientierten Pferdesportvereine mit großen Kinder- und Jugendabteilungen sowie Ställe in städtischen Lagen werden sich für diese Form des Herdenschutzes eher nicht eignen. Zumindest letztere wären wohl auch mit der Haltung und dem Management der Hunde überfordert. Auch Ponyzüchter, deren Tiere ganzjährig auf extensiven Flächen gehalten werden – nicht selten in Waldrandlage – haben deutlich gemacht, dass sie den Einsatz von Herdenschutzhunden in ihrer Obhut für nicht umsetzbar halten.

Aufstallpflicht in Wolfsgebieten

Bisweilen tauchen Gedanken auf, dass gefährdete Nutztiere in Wolfsgebieten ganz oder zeitweise, zum Beispiel nachts, aufgestallt werden sollen oder müssen. Einige Beispiele verdeutlichen, warum solche Forderungen allenfalls in sehr spezifischen Einzelsituationen, aber im Wesentlichen aus sachlichen Gründen und mit dem Blick auf das Tierwohl nicht erfüllbar sein können.

Stabile Gruppenhaltung in Offenställen
Eine erhebliche Anzahl von Pferden lebt ganzjährig in Gruppen- und Offenstallhaltung. Die Zusammensetzung dieser Pferdegruppen wird fachkompetent gemanagt, damit jedes Pferd seinen Platz im sozialen Gefüge findet. Aus Tierwohlgründen ist es mit dieser Haltungsform nicht vereinbar, den Pferden einen steten Wechsel mit der Stallhaltung zuzumuten. Abgesehen davon steht die benötigte Stall-Infrastruktur in der Regel nicht zur Verfügung.

Weidehaltung in der Pferde- und Ponyzucht
Zuchtpferde und Zuchtponys leben weite Teile des Jahres oder ganzjährig rund um die Uhr auf entsprechenden Weiden. Diese artgerechte Haltungsform ist geboten und bewährt. Sie kann – besonders in der gesunden Aufzucht von Jungpferden – nicht auf Dauer durch die Stallhaltung kompensiert werden.

Nächtlicher Weidegang ist regional unabdingbar
Auf Grund der hohen Belastung mit Bremsen und anderen stechenden Insekten ist der Weidegang in manchen Regionen in den Sommermonaten nur während der Nacht möglich. Eine nächtliche Aufstallpflicht würde dies verhindern und damit einen erheblichen Eingriff in das Tierwohl bedeuten.

Besondere Haftungssituation in der Pferdehaltung

Im Zusammenhang mit gefährlichen Situationen, die aus Begegnungen von Pferden und Wölfen resultieren können, besorgt die Pferdhalter besonders die spezielle Haftungssituation. Anders, als in der gewerblichen Pferdehaltung, haben private Pferdebesitzer - und hierzu zählen auch die mehr als 1.100 gemeinwohlorientierten Pferdesportvereine in Nordrhein-Westfalen - auf Grund der Einordnung der im Besitz befindlichen Pferde als „Luxustier“, keine Möglichkeit, sich im Hinblick auf die Gefährdungshaftung zu entlasten. Auch dann, wenn sämtliche Präventionsmöglichkeiten umgesetzt sind und der Eigentümer nichts hätte tun können, um den Schaden zu vermeiden, kommt es im Fall von Pferden, die beispielsweise durch Wolfsangriffe auf Straßen flüchten und dort Unfälle verursachen, zur Haftung durch den Eigentümer des Pferdes. Diese Perspektive ist vielen Pferdehaltern schwer darstellbar. Bei entsprechenden Vorkommnissen bedarf diese Situation einer grundsätzlichen Betrachtung.

Entschädigung und unabhängige Wertermittlung

Es ist richtig und angemessen, dass Pferdehalter für mögliche Verluste durch Wolfsrisse entschädigt werden. Im Hinblick auf die Entschädigungssummen ergibt sich die besondere Herausforderung einer angemessenen Wertermittlung. Entsprechende Listen, die im Bereich anderer Nutztiere dazu herangezogen werden, sind für die Tierart Pferd nicht verfügbar. Sie wären auch schwer zu erstellen, denn für die Wertfeststellung sind vielfältige Parameter einzuordnen. Um einen realistischen und akzeptierten Wert fachlich fundiert ermitteln zu
können, sollten für die Beurteilung gerissener Pferde ausschließlich von der Landwirtschaftskammer öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige herangezogen werden.

Dokumentation von Rissen

Im Fall eines Wolfsrisses erfolgt die Begutachtung und Erstellung eines Rissprotokolls durch einen dazu autorisierten Personenkreis. Auf seiner Internetseite informiert das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), dass dieser Personenkreis ehrenamtlich tätig ist und durch das LANUV bestellt wird. Für die Pferdehalter ist es zunächst wichtig, dass bei dem Verdacht eines Wolfsrisses zeitnah der notwendige Kontakt zum Wolfsberater hergestellt werden kann. Besonders bei ungünstiger Witterung (Regen) ist die schnelle Verfügbarkeit geboten, um eventuelle genetische Spuren sicherstellen zu können. Es ist betroffenen Tierhaltern schwer zu vermitteln, wenn eine deutliche Verzögerung eintreten sollte, weil ein regional zuständiger Wolfsberater beispielsweise durch eigene berufliche Verpflichtungen nicht verfügbar ist. Akzeptanzprobleme könnten entstehen, wenn der Anschein erweckt wird, dass ehrenamtliche Wolfsberater in der Sache nicht neutral sein könnten, weil sie beispielsweise Vereinigungen angehören, die sich dem Schutz der Wölfe verschrieben haben. Selbstredend ist die innere Motivation Motor und Antrieb jedes Engagements und das ist auch gut so. Wo Neutralität geboten ist, muss jedoch sichergestellt sein, dass die Gefahr der Parteilichkeit transparent reflektiert wird.

Aus der Sicht der unterzeichnenden Verbände ist es sehr wichtig, das Vertrauen betroffener Tierhalter in die Neutralität der Rissprotokolle zu untermauern. Das Leid der Tierhalter ist relevant, sie benötigen schnell und unbürokratisch Hilfe und Unterstützung.

Weitergehende Betreuung der Betroffenen bei Wolfsrissen

Wir machen ausdrücklich darauf aufmerksam, dass etwa die Hälfte der mehr als 150.000 organisierten Pferdesportler in den nordrhein-westfälischen Pferdesportvereinen Kinder und Jugendliche sind. Nichts und niemand bereitet sie auf die Möglichkeit der traumatisierenden Erfahrung vor, eines der geliebten Pferde oder Ponys könnte durch einen Wolfsriss getötet oder verletzt werden. Wir möchten dringend empfehlen, auch in dieser Hinsicht über dann benötigte Unterstützung nachzudenken. Betroffene dürfen aus unserer Sicht in solchen Fällen nicht allein gelassen werden. Das gilt selbstverständlich ausdrücklich auch für volljährige Pferdehalter.

Blick auf die Auswirkungen auf Wildtiere

Neben den geschilderten Problemstellungen, die sich innerhalb der Pferdehaltungen ergeben, stellt sich uns die Frage nach den Auswirkungen auf die Wildtiere, die im Bereich der jeweiligen Pferdehaltungen heimisch sind. Pferdeweiden gehören zu den Nahrungsquellen des Wildes und auf Grund der pflanzlichen Artenvielfalt eigenen sie sich dazu auch gut. Die übliche und pferdegerechte Einzäunung der vorhandenen Weiden und Koppeln erlaubt Wildtieren problemlos den Zugang zu diesen Nahrungsquellen. Bei der Errichtung von wilddichten Wolfsschutzzäunen muss in Betracht gezogen werden, dass damit auch anderen Wildtieren ein Zugang zu benötigten Futtergründen verwehrt wird. In den Blick genommen werden muss zudem, dass kleinere Tiere, die mit den stromführenden Litzen in 20 cm Höhe in Kontakt kommen, ernsten (auch letalen) Schaden nehmen können.

Freiwillig – (nicht nur) zum Schutz der Pferde und der Wölfe

Abschließend möchten wir noch einmal unterstreichen, dass sämtliche Präventionsmaßnahmen der Freiwilligkeit unterliegen müssen. Es ist unabdingbar, sie im Hinblick auf ihren Nutzen individuell und mit einem fundierten Blick auf die jeweilige Ausgangslage abzuwägen. Dabei muss gelten, dass die Maßnahmen nicht nur bestmöglich vor Angriffen durch Wölfe schützen, sondern auch mit dem Wohl der Pferde vereinbar sein müssen. Schließlich sind Präventionsmaßnahmen nur dann vertretbar, wenn sie auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht vernünftig und darstellbar sind. Folgekosten aus Präventionsmaßnahmen dürfen nicht dazu führen, dass die Existenz eines Betriebes oder der Fortbestand eines gemeinwohlorientierten Vereins gefährdet werden.

Unser Anliegen und unsere Aufgabe ist es, die Pferde zu schützen. Wir freuen uns, darüber mit Ihnen in den Dialog zu treten.